Am 16.10. überreichten Katja Heinrich, Andreas Kotter und Peer Lück den Paritätischen Ehrenamtspreis 2023 an Jürgen Borchert im Lebensart am Palais. Der Preisträger ist in vielen Tätigkeiten und Funktionen im Dienste der Inklusion engagiert. Uns im LHW ist Jürgen Borchert in erster Linie als Mitgründer und Aufsichtsratsmitglied und durch seine eindringlichen Projekte zur Erinnerungskultur ganz eng verbunden und hoch geschätzt. Wir gratulieren von ganzem Herzen zu dieser hochverdienten Auszeichnung! Und wir schließen uns voll umfänglich der Laudatio von Katja Heinrich, Geschäftsführerin unseres Lebenshilfe-Landesverbandes an, die wir hier veröffentlichen dürfen:
“Lieber Herr Borchert,
liebe Frau Borchert und liebe Constanze,
liebe Rola, liebe Frau Hagen,
lieber Andreas Kotter, lieber Herr Lück,
liebe Gäste,
ich darf Sie heute hier alle recht herzlich willkommen heißen und dies tue ich heute in doppelter Funktion, als Mitglied das Landesvorstand des Paritätischen Thüringen und als Geschäftsführerin der Lebenshilfe Thüringen. Schön, dass Sie alle gekommen sind.
Ehrenamtlich Engagierte sind Vorbilder und sie sind Mutmacher, so Frank-Walther Steinmeier, bei seiner Eröffnungsrede zum Bürgerfest vor wenigen Wochen im Schloss Bellevue. Und ich finde, er hat recht… Ehrenamtlich Tätige sind ganz oft Menschen, die wichtige Themen ansprechen, nachfragen und zurecht Antworten einfordern, Menschen, die anderen zuhören, Probleme aufgreifen und sich um deren Lösung bemühen, Menschen, die andere Menschen zusammenführen, Austausch und Begegnungen ermöglichen. So ein Mensch sind Sie, lieber Jürgen Borchert.
Wir wollen Sie heute für Ihr ehrenamtliches Engagement auszeichnen und Ihre Arbeit mit dem Paritätischen Ehrenamtspreis würdigen. Sie sind Vater einer Tochter mit geistiger Behinderung und engagieren sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für die Interessen von Menschen mit Behinderungen und deren Eltern und Angehörige. Nach der Wende waren Sie an der Gründung des Lebenshilfe-Werk Weimar/Apolda e.V. beteiligt, welcher sich aus drei von engagierten Eltern gegründeten Lebenshilfe-Vereinen entwickelte. Sie leisteten in dieser Zeit, in der die Unsicherheit über den Wegfall staatlicher Fürsorge der DDR auf der einen und dem Bedürfnis nach Neuorientierung auf der anderen Seite, wertvolle Pionierarbeit. Gemeinsam mit anderen Engagierten hatten Sie den Willen und den Mut an der Entwicklung neuer Strukturen mitzuwirken und verloren dabei nie die Interessen von Menschen mit Behinderungen, Eltern und Angehörigen aus dem Blick. Ihr besonderes Engagement galt dabei dem Bemühen, die Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen von Menschen mit geistiger Behinderung und ihrer Familien ernst zu nehmen und immer wieder beharrlich mit den Akteuren und Verantwortlichen vor Ort, aber auch auf Ebene des Landes, abzustimmen und um die Schaffung neuer, gelingender Angebote zu ringen.
Sie waren über 30 Jahre Vorsitzender des Lebenshilfe Ortsvereinigung Weimar e. V. und haben in dieser Funktion einen Elternverein in der Region geführt und Verantwortung übernommen, unzählige Gespräche geführt, Eltern vor Ort wertvolle Tipps und Hinweise gegeben, sei es bei Fragen des Kindergeldes oder bei der Beantragung von Leistungen oder beim Austausch im Elterncafé. Seit 2022 sind Sie stellvertretender Vorsitzender und unterstützen weiterhin die Arbeit des Elternvereins.
Doch damit noch lange nicht genug. Sie, lieber Herr Borchert, engagieren sich nicht nur regional, sondern auch auf Landes- und Bundesebene. So sind Sie seit vielen Jahren Sprecher des Eltern- und Angehörigen-Rates der Lebenshilfe Thüringen und Mitglied im Rat der Eltern und Angehörigen der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Die Arbeit im Eltern- und Angehörigenrat der Lebenshilfe Thüringen ist für Sie eine Herzensangelegenheit, Ihr besonderes Engagement richtet sich darauf, neue Mitglieder für die Arbeit in diesem Gremium zu gewinnen und Eltern in ihrer Rolle zu stärken. Dabei richten Sie Ihr Augenmerk insbesondere immer wieder auf Eltern von Menschen mit schweren mehrfachen Behinderungen. Hier nehmen Eltern oftmals eine besondere Rolle auch als Sprachrohr ihrer Kinder ein, die oft nicht lautsprachlich kommunizieren können und in verschiedenen Situationen nicht gehört oder auch vergessen werden. Erinnern und danken möchte ich Ihnen zudem für Ihren Einsatz bei unserem Seminar „Plötzlich 18!“, bei welchem Sie besonders junge Eltern informieren und an Ihren Erfahrungen partizipieren lassen.
Neben Ihrem Engagement für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige, bringen Sie inklusive Projekte der Gedenk- und Erinnerungskultur auf den Weg bzw. begleiten diese aktiv mit.
So haben Sie die Wanderausstellung „Tiergartenstraße 4 – Gedenkort und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde“ nach Weimar geholt, um an die Menschen mit Behinderungen, die diesen schrecklichen Taten während der NS-Zeit zum Opfer gefallen sind, zu gedenken. Begleitend zur Ausstellung haben Sie sich, gemeinsam mit dem Projektteam, dafür eingesetzt, dass Menschen mit und ohne Behinderungen Gäste durch die Ausstellung führen. Ihnen war es zudem ein Anliegen, die Situation von Menschen mit Behinderungen in der DDR-Zeit aufzuzeigen. Im Rahmen des inklusiven Projektes „Leben in der DDR“ haben Menschen mit und ohne Behinderungen ihre Erfahrungen und Erinnerungen zusammengetragen. Anschließend wurden diese in einem Heft und in einer Hör-Sendung für Interessierte zugänglich gemacht.
Weitere Projekte, die einen Blick in die Vergangenheit ermöglichen, sind in Planung. Wir dürfen alle gespannt sein, welche Ideen Sie – gemeinsam mit engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern – entwickeln werden.
Ich möchte gern mit einem zweiten Zitat von Frank-Walther Steinmeier, enden. Frank-Walther Steinmeier sagte am Ende seiner Eröffnungsrede: „Ja, das sind (aktuell) schwierige, das sind herausfordernde Zeiten. Aber es sind keine Zeiten für Rückzug und Einigeln, keine Zeiten für Missgunst und Rechthaberei! Es ist Zeit für Zusammenhalt! Und vergessen wir nicht, was uns stark macht, was uns in Deutschland immer ausgemacht hat, worauf wir zusammen alle stolz sein können: das ist Menschlichkeit, das ist Gemeinsinn, das ist Anpacken, das ist Zuversicht.“
Wir alle tragen Verantwortung für unser Land, Sie, lieber Herr Borchert, nehmen diese Verantwortung in die Hand und packen an, wo Hilfe, Unterstützung, Begleitung gebraucht wird. Sie schauen hin, sprechen schwierige Situationen an, suchen und streiten für Lösungen und sind da, wo Sie gebraucht werden.
Dafür ein herzliches Dankeschön! Danke für Ihren Mut, für Ihre Zeit, für Ihre Geduld, Ihren Optimismus und Ihre Selbstlosigkeit. Herzlichen Glückwunsch zum Paritätischen Ehrenamtspreis.”